Basilika St. Martin in Amberg: Errichtung virtuell rekonstruiert

Lesedauer 5 min.

Karl Müller zeichnet die vor 600 Jahren erbaute Basilika St. Martin in Amberg im ALLPLAN-Modell digital nach und macht damit die enorme Leistung der Handwerker von damals noch greifbarer.

Das ist Liebe zum Detail: Im Zuge der Sanierung der Basilika St. Martin in Amberg hat Karl Müller minutiös mit ALLPLAN digital rekonstruiert, wie die Kirche (und insbesondere deren Dachkonstruktion und Gewölbe) vor knapp 600 Jahren errichtet wurde. Damit offenbart der Zimmerermeister mithilfe moderner Modellierung die beeindruckende Handwerkskunst, die dem spätmittelalterlichen Bauwerk zugrunde liegt. Eine Besonderheit der Kirche besteht in ihrer Dachkonstruktion, die freitragend die gesamte Breite der Kirche von 28 Meter überspannt. Der aufwendige Dachstuhl lockt inzwischen sogar regelmäßig Bauhistoriker:innen nach Amberg.

60 Grad steiles Dach für 28 Meter breite Kirche

Die Basilika wurde in zwei Bauabschnitten errichtet. Zunächst erfolgte die mühsame Fundamentierung von Hand, gefolgt von der Errichtung der 20 Meter hohen Außenmauern, was allein schon vermutlich zehn bis 15 Jahre in Anspruch nahm. Das konstruktive Glanzstück und die größte Herausforderung für die Handwerker aber bildete damals zweifellos das 60 Grad steile Dach mit seinem einzigartigen Dachstuhl. Die (entsprechend der Breite der Kirche) 28 Meter langen Balken wurden aus etwa 50 Meter hohen Bäumen ausgeformt und wiegen jeweils rund zwei Tonnen bei einem Querschnitt von 28/36 Zentimetern.

Auf die Platzierung der Balken – die unter anderem den Einsatz eines 19 Meter hohen Traggerüsts erforderte – folgten das Aufrichten des zehn Meter hohen Längsverbands, der Einbau des Hängewerks sowie die Montage der Sparren. Mit Gratsparren und Schiftern wurde das Hauptdach schließlich fertiggestellt. Insgesamt kamen im ersten Bauabschnitt bereits 881 Holzteile zum Einsatz. Der Abschnitt wurde mit einer Trennwand und der Einwölbung fertiggestellt. So konnten bereits Gottesdienste abgehalten und der Vorgängerbau nebenan abgerissen werden, um Platz für den Rest der Basilika zu machen. Im zweiten Bauabschnitt wurde dann noch das Langhaus ausgebaut und der Dachstuhl weiter angepasst.

Dachstuhl: Verbauter Wald

Karl Müller nennt den Dachstuhl einen „verbauten Wald“, womit er auf die enormen Holzmassen anspielt. Etwa 1535 Holzteile wurden hier insgesamt verbaut, die hintereinandergelegt auf eine Länge von circa 15 Kilometern sowie auf ein Gesamtgewicht von rund 500 Tonnen kommen. Das Volumen beziffert der Zimmerermeister auf ungefähr 800 Kubikmeter. Bei alledem noch nicht mit einberechnet sind die etwa 22 Kilometer an Dachlatten sowie um die 120.000 Dachziegel, die noch einmal circa 310 Tonnen wiegen.

Die einmalige „gewagte Konstruktion“ (Karl Müller) ist ein beliebtes Exkursionsziel von Wissenschaftler:innen und Studierenden der Ingenieurswissenschaften aus ganz Deutschland. Praktischerweise können Besuchende mittlerweile nicht nur den originalen Dachstuhl begutachten und bewundern, sondern auch ein anschauliches Holzmodell dessen im Maßstab 1:15 in Augenschein nehmen. Der raumfüllende Nachbau wurde 2016 von Zimmerermeister Josef Hauer angefertigt (Modell Nummer 25 seit seinem Renteneintritt) und wird auf der Empore der Basilika ausgestellt.

Zur weiteren Erklärung der Unabhängigkeit von Dach- und Gewölbekonstruktion hat Karl Müller (im Foto rechts) mit seinem Freund Franz Meier (im Foto links) ein Querschnittsjoch der Kirche im Modell nachgebaut, das im Eingangsbereich der Basilika betrachtet werden kann.