Universitäten als Wissenschafts- und Forschungsstätten sind bedeutend älter als ihre Architektur. Im Mittelalter versammelten sich die Studierenden zunächst in Kirchen, Klöstern und Privathäusern. Erst ab dem 15. Jahrhundert errichteten die Städte besondere Universitätsbauten, die sich immer mehr zu repräsentativen Zeichen für Macht und Ansehen entwickelten. Um den steigenden Studentenzahlen gerecht zu werden, entstanden dann ab den 1960er Jahren – oftmals außerhalb der Stadtzentren – die ersten Massenuniversitäten. Im modernen Hochschulbau verbinden sich Tradition und Innovation, Vergangenheit und Gegenwart, wie die Beispiele in Lüneburg, Leipzig und Ljubljana zeigen.
Leuphana; Zentralgebäude der Leuphana-Universität Lüneburg, CC BY-SA 4.0
Mit Konventionen brechen: Die Leuphana-Universität Lüneburg
Wie ein Zackengebirge erhebt sich das neue Hauptgebäude der Leuphana-Universität in Lüneburg 37 Meter hoch über das norddeutsche Flachland. Eine Titanfassade, die Schuppen gleicht, eine asymmetrische Linienführung und schräge Fenster über mehrere Stockwerke – das ist die unverkennbare Formensprache des Architekten Daniel Libeskind. Der Vertreter des Dekonstruktivismus verleiht mit diesem Hochschulbau der Stadt Lüneburg eine neue Landmarke – und der Universität selbst eine Identität als Innovationsstandort. Wie Sprecher der Universität selbst sagen, steht das Gebäude „für eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Campus, für die Bildungsidee der Leuphana und für deren wissenschaftlichen Anspruch“.
Libeskind bricht bei diesem Projekt mit den Konventionen und Traditionen der Campus-Architektur. Licht dringt aus schiefen Winkeln ins Innere des Gebäudes, überkippende schräge Wände scheinen jegliche Funktion zu entbehren. Der Eingang präsentiert sich als haifischartiges Gebilde. Die selbst verschattenden Fassaden in Kombination mit der argongefüllten Dreifachverglasung sprechen für Innovation und nachhaltige Architektur.
Eine Rekonstruktion der anderen Art: Das Paulinum der Universität Leipzig
Im Dezember 2017 wurde das Paulinum der Universität Leipzig mit acht Jahren Verzögerung feierlich eröffnet. Doch schon vor Fertigstellung hatte sich dieser Hochschulbau im Stadtzentrum Leipzigs zu einem neuen Wahrzeichen entwickelt. Bis 1968 stand dort die Universitätskirche. Sie hatte zwar den 2. Weltkrieg unbeschadet überstanden, wurde jedoch trotz starker Proteste von der SED-Regierung gesprengt. Der Neubau sollte dieses geschichtsträchtige Ereignis aufgreifen und eine Verbindung zwischen weltlichem und religiösem Leben schaffen: ein Gebäude, das Aula und Andachtsraum in einem ist.
Pedelecs; Augusteum (rechts) und Paulinum (Mitte) der Universität Leipzig; CC BY-SA 3.0
Das Rosettenfenster aus Sandstein und der Glockenturm des neuen Paulinums scheinen aus der Achse zu fallen, das Dach wirkt unvollendet – die großflächige Glasfassade hält alles im Lot. Der niederländische Architekt Erick van Egeraat hat damit die Paulskirche „wie im Moment der Sprengung aufgefangen“. Aufgrund der ausgestellten sakralen Kunstwerke, die aus der alten Kirche geborgen worden waren, herrscht im Inneren ein Raumklima in Museumsqualität. Gleichzeitig bietet der Hochschulbau Professoren und Studierenden Platz für Konferenzen. Das neue Gebäude ist gemeinsam mit Mensa und Unibibliothek ein gelungenes Beispiel für die Integration des Campus ins lebendige Stadtzentrum und führt die 600-jährige Universitätstradition Leipzigs fort.
Ein Gefühl von Freiheit: Der neue Hochschulbau an der Universität Ljubljana
Die 1919 gegründete Universität Ljubljana gehört zu den größten Universitäten Europas und zu den besten weltweit. Bis 1978 war sie sogar die einzige in ganz Slowenien. Im Jahr 2010 entstanden auf ihrem Campus ein neuer Hochschulbau für die sozialwissenschaftliche Fakultät sowie ein Studentenwohnheim. Der Komplex umfasst 71 Apartments mit insgesamt 243 Betten, einen Konferenzsaal, Büros sowie zwölf Hörsäle. Mit der stabilen Konstruktion aus Stahlbeton wollte das slowenische Architekturbüro Arhitektonika d.o.o. ein Gefühl von Freiheit vermitteln – die Freiheit des wissenschaftlichen Geistes. Das erreichten sie durch Wände aus Glas zwischen Flur und Hörsälen sowie durch zahlreiche Glasflächen an der Fassade. Sie bringen viel Licht ins Innere und schaffen eine helle und kreative Arbeitsatmosphäre.
Für diese Campus-Architektur hatten die Planer einige Herausforderungen zu bewältigen: Zunächst stand nur ein kleines Bauterrain zur Verfügung. Dies löste das Architekturbüro durch einen großen Souterrainbereich sowie einen mehrstöckigen Aufbau. Darüber hinaus sollte das Erweiterungsgebäude in den bestehenden halbzylindrischen Bau integriert werden. Hierbei nutzten die Planer die Vorteile von Building Information Modeling, womit ihnen alle Planungsdaten in digitaler Form vorlagen.
Wie sie dabei vorgegangen sind, können Sie in unserer Fallstudie zum Projekt nachlesen.
Nicht nur Universitäten sind beeindruckende Architekturprojekte für zukünftige Generationen. In unserem Beitrag „Pädagogisch wertvoll: Architektur für Kindergarten und Schule“ erfahren Sie, welche Anforderungen die modernen Lerngebäude für unsere Kleinsten erfüllen sollen.