Die Kunst des Geschwungenen: Faszinierende Architektur von Alvar Aalto

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Vater des Modernismus, Pionier des organischen Bauens, Kultdesigner: Alvar Aaltos Schaffen hat Gestaltung neu definiert. Neben Mies van der Rohe, Le Corbusier und Frank Lloyd Wright gehört der Finne zu den Schlüsselfiguren der Baukunst des 20. Jahrhunderts. Seine Mission war die „Humanisierung der Architektur“. Am 03. Februar 2018 wäre der Architekt, Stadtplaner und Möbeldesigner 120 Jahre alt geworden. Ein passender Anlass, um auf ein faszinierendes Werk zurückzuschauen.



Erfolg in jungen Jahren

Alvar Aaltos Karriere verläuft gradlinig: Architektur-Studium in Helsinki, eigenes Büro mit 25, internationaler Durchbruch mit Anfang 30. Zu seiner Formsprache muss er erst finden. Seine frühen Entwürfe orientieren sich noch stark am nordischen Neoklassizismus. Auf Reisen durch Europa beschäftigt sich der junge Architekt intensiv mit den Designströmungen seiner Zeit. Seine Eindrücke verarbeitet er zu einem sehr eigenen Stil. Anfang der 1930er Jahre entwirft Aalto sein erstes Möbelstück und gründet die Möbelfirma Artek. Zum Prinzip seines Schaffens gehört, Architektur und Inneneinrichtung eines Gebäudes miteinander harmonieren zu lassen. Beim Lungensanatorium im finnischen Paimio setzt er dieses Prinzip erstmals konsequent um. Das Projekt macht ihn weltweit bekannt.

 Paimio Sanatorium in Finnland

Schwünge, die Geschichte schreiben

Schwünge, Wellen, sanfte Biegungen werden sein Erkennungsmerkmal. Er entwickelt ein Verfahren, das ihm erlaubt, Holz nach seinen Vorstellungen zu verformen. Sein Sessel „Paimio” geht in die Designgeschichte ein. Die „Aalto-Vase”, die er 1936 in seiner Glasmanufaktur entwirft, wird ein Kultstück und gilt auch heute noch als Inbegriff des zeitlosen finnischen Designs.

 Paimio Sessel

Die Dynamik seiner Werke beeindruckt die Designwelt: Der finnische Pavillon zur Expo 1937 in Paris begeistert das internationale Publikum. Mit seinen hohen, geschwungenen Innenwänden ist er der Prototyp für Aaltos Idee vom Bauen. Nach dem zweiten Weltkrieg lehrt der Finne am MIT in Cambridge. Mitte der 1950er Jahre kehrt er in seine Heimat zurück und realisiert bis zu seinem Tod 1976 Großprojekte in ganz Europa.



Vater des organischen Modernismus

Das kreative Schaffen Aaltos ist tief verwurzelt in Skandinavien. Sein „organischer Modernismus” findet seine Inspiration in der eindrucksvollen Natur Finnlands. Die Bauwerke sind prägnant und haben einen hohen Wiedererkennungswert. Der Betrachter fühlt sich an gewaltige Gletscherlandschaften oder imposante Küstenszenerien erinnert. Die Motive aus der Natur übersetzt der Designer dabei in eine Ästhetik der Schlichtheit. Aus fließenden Formen abstrahiert er kühle, asymmetrische Baukörper, die selbstverständlicher Teil ihrer Umgebung werden. Seine großzügigen Fassaden hält Aalto einheitlich: in leuchtendem Weiß – wie beim monumentalen Musiktheater in Essen, das erst posthum realisiert wurde – oder rotem Backsteinwerk.

 / Pixabay; pixabay.com/de/aalto-theater-gebäude-stadt-228663/; Aalto Theater in Essen

Humanisierte Architektur

Die Bedürfnisse der Menschen, für die er baut, sind für Aalto entscheidend. Praktische Aspekte von Design und Architektur bewertet er vorrangig. Seine Entwürfe sollen das Leben durch ihre Funktionalität bereichern. Der Finne arbeitet in einer Zeit, in der nach einem Weltkrieg dringend Wohnraum geschaffen werden muss – und er ist sich dieser Dringlichkeit sehr bewusst. Als Stadtplaner hilft er nicht nur, seine zerstörte Heimat wieder aufzubauen: Mit Wohnsiedlungen, Kirchen, Fabriken und Verwaltungsgebäuden. Er baut auch in anderen europäischen Ländern.

 Riola Kirche in Italien

In Deutschland entwirft Aalto unter anderem 1953 ein Haus im Berliner Hansa-Viertel, dem damaligen Vorzeigeobjekt moderner Stadtplanung, und das Wohnhochhaus „Neue Vahr“ in Bremen. Diese Projekte tragen für ihn mit dazu bei, den Traum vom menschenwürdigen Zusammenleben durch seine Architektur ein Stück weit Realität werden zu lassen.

 Wohngebäude im Hansaviertel Berlin (1955-57)

Alvar Aalto wurde zum Vorbild für eine Architektur, die sich am Menschen orientiert. Mit seinem “organischen Modernismus” wollte er nicht weniger, als Gesellschaft durch Bauwerke humaner machen. Sein Erbe prägt die finnische Architektur bis heute.