Digitale Zwillinge zählen zweifellos zu den Zukunftstechnologien, die die AEC/O-Branche nachhaltig verändern. Obwohl sie noch relativ neu sind, revolutionieren sie schon jetzt die Art und Weise, wie Fachleute Bauwerke entwerfen, bauen und verwalten, indem sie ein digitales Gegenstück zu physischen Objekten liefern. Um einen tieferen Einblick in diese transformative Technologie zu erhalten, haben wir mit Dr. Jimmy Abualdenien, Head of Digital Twin Product bei der Nemetschek Group, gesprochen. Im Interview beleuchtet er das Grundprinzip der digitalen Zwillinge, ihre Vorteile, die Herausforderungen bei der Einführung sowie die bahnbrechenden Lösungen von Nemetschek.
Herr Abualdenien, wie würden Sie einen digitalen Zwilling in Ihren eigenen Worten definieren?
Ein digitaler Zwilling ist ein detailliertes virtuelles Modell eines physischen Objekts, zum Beispiel eines Bauteils, eines Systems oder eines ganzen Gebäudes. Dieses Modell wird fortlaufend mit Echtzeitdaten seines physischen Gegenstücks aktualisiert und spiegelt dessen aktuellen Zustand genau wider. Über die Visualisierung hinaus ermöglichen digitale Zwillinge umfassende Analysen, Simulationen und Optimierungen, indem sie diese Echtzeitinformationen nutzen.
Wer profitiert von einem digitalen Zwilling, und wie?
Digitale Zwillinge bieten zahlreiche Vorteile, wie etwa das Aufbrechen von Datensilos, die von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb von Gebäuden bestehen. Oft bleiben wertvolle Daten über den Lebenszyklus eines Gebäudes isoliert und ungenutzt. Digitale Zwillinge halten diese Daten aktuell und zugänglich, indem sie den Zustand von Bauwerken mithilfe von Punktwolken, Fotogrammmetrie und Panoramabildern erfassen.
Darüber hinaus integrieren digitale Zwillinge verschiedene Datenströme und harmonisieren diese systemübergreifend über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes. Diese Integration ermöglicht es den Beteiligten – von AEC-Dienstleistenden bis hin zu Betreibenden und Eigentümer:innen –, datengestützte Entscheidungen zu treffen, indem sie auf Echtzeit-Dashboards und umfassende Reports zugreifen können, die Projektanalysen und Erkenntnisse zum Betrieb bereitstellen.
Mit der Integration von KI können digitale Zwillinge nun auch tiefgreifende Analysen auf Grundlage von historischen und Echtzeitdaten durchführen, den Wartungsbedarf vorhersagen und spezifische Empfehlungen geben. Das verbessert nicht nur den laufenden Betrieb, sondern ermöglicht auch Ferninspektionen, Lebenszykluskostenanalysen und eine allgemeine Leistungsoptimierung, die den Beteiligten hilft, Kosten und Umweltauswirkungen zu reduzieren und gleichzeitig die Effizienz zu verbessern.
Wie können digitale Zwillinge der AEC/O-Branche helfen, CO2-Emissionen zu reduzieren?
In einer Zeit, in der die Optimierung des Energieverbrauchs und die Förderung von Nachhaltigkeit für die AEC/O-Branche oberste Priorität haben, bieten KI-gestützte digitale Zwillinge eine wegweisende Lösung zur Minimierung der Umweltbelastung. Diese digitalen Repliken verwenden IoT-Sensoren, um den Energieverbrauch in Echtzeit zu überwachen, während Machine-Learning-Algorithmen die Daten analysieren, um Muster von Ineffizienz und Übernutzung zu erkennen. Durch die Empfehlung spezifischer, datengesteuerter Lösungen tragen solche digitalen Zwillinge dazu bei, Energieverschwendung zu reduzieren und den CO2-Fußabdruck zu verringern.
Neben der Energieeffizienz verbessern digitale Zwillinge auch andere kritische Aspekte wie Raumnutzung und Nutzungskomfort. In Bürogebäuden zum Beispiel können KI-Algorithmen Raumnutzungsmuster bewerten und sie mit der Produktivität und dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden in Beziehung setzen. Umweltsensoren helfen zusätzlich, indem sie Bedingungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftqualität in Echtzeit überwachen. Diese umfassende Analyse stellt sicher, dass die Gebäude mit einem Maximum an Effizienz und Komfort betrieben werden, was letztlich zu einer erheblichen Reduzierung der Kohlenstoffemissionen beiträgt.
Was sind die Haupthindernisse für die breite Einführung von digitalen Zwillingen?
Die Einführung digitaler Zwillinge verlief in der AEC/O-Branche bisher nur schleppend, da die Erstellung eines voll funktionsfähigen Modells einen erheblichen Aufwand darstellt. Die Komplexität liegt hier in der Aufbereitung, Verarbeitung und Harmonisierung großer Datenmengen aus verschiedenen Quellen. Die Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens überwinden diese Herausforderungen nun jedoch schnell und ebnen den Weg für eine breitere Akzeptanz.
Bietet Nemetschek eine Softwarelösung für digitale Zwillinge an?
Ja, Nemetschek bietet mit seiner SaaS-Plattform dTwin eine umfassende Lösung für digitale Zwillinge an. Diese innovative, offene Plattform liefert datengestützte Ergebnisse und ermöglicht ein effizientes Gebäudemanagement von der Planung bis zum Betrieb. dTwin ist die erste Software ihrer Art, die alle Gebäudedatenquellen in einer einheitlichen Ansicht zusammenführt und die Lücke zwischen Planung, Bau und Betrieb mit Echtzeit-Datenströmen und offenen API-Schnittstellen schließt.
Welche Funktionen bietet dTwin?
dTwin strukturiert und verknüpft Informationen systemübergreifend über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Die Plattform harmonisiert Daten aus verschiedenen Quellen und ermöglicht es den Entscheidungsträger:innen, relevante Informationen effizient zu verfolgen, zu filtern und abzufragen. Echtzeit-Alarme, Dashboards und umfassende Berichte liefern Erkenntnisse zum Betrieb sowie Projektanalysen für alle Beteiligten im AEC/O-Spektrum, einschließlich Dienstleistenden, Betreibenden und Eigentümer:innen.
Welche Rolle spielen BIM-Modelle im digitalen Zwilling?
BIM-Modelle ermöglichen die objektgenaue Erfassung und strukturierte Verwaltung von Daten zu einem Bauwerk. Sie werden primär von Planungsteams verwendet, sind aber auch im Gebäudemanagement als Teil des digitalen Zwillings eine wertvolle Datengrundlage. Durch die Synchronisation der BIM-Daten zwischen BIMPLUS und dTwin ermöglichen wir eine nahtlose und verlustfreie Kommunikation zwischen Planern und Betreibern von Bauwerken über den gesamten Lebenszyklus. So werden die BIM-Modelle auch nach der Planung genutzt und gepflegt und stehen bei Umbau, Sanierung oder Abriss als verlässliche Informationsgrundlage zur Verfügung.
Die Zukunft des intelligenten Gebäudemanagements
Das Gespräch mit Dr. Jimmy Abualdenien zeigt klar: Digitale Zwillinge revolutionieren die AEC/O-Branche, indem sie eine nie dagewesene Übersicht, Effizienz und Nachhaltigkeit bieten. Die zukunftsweisenden digitalen Repliken öffnen nicht nur Datensilos und ermöglichen datengestützte Entscheidungen, sondern nutzen auch KI, um die vorausschauende Wartung zu verbessern und den Ressourceneinsatz zu optimieren. Durch die Integration von Echtzeit-Überwachung und intelligenter Analyse ermöglichen digitale Zwillinge den Beteiligten, die betriebliche Effizienz zu verbessern, Kosten zu senken und CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren.
Mit der zunehmenden Verbreitung dieser innovativen Technologien in der AEC-Branche wird das Potenzial für ein intelligenteres, nachhaltigeres Gebäudemanagement immer greifbarer. Das Engagement von Nemetschek, diesen Wandel durch Lösungen wie dTwin voranzutreiben, unterstreicht den enormen Wert digitaler Zwillinge bei der Gestaltung einer intelligenteren und umweltfreundlicheren Zukunft für die gebaute Umwelt.